„Dieselklage“ – Sammelklage nach amerikanischem Vorbild

In 2018 wurde nun auch in Deutschland die Möglichkeit einer Sammelklage, die sog. Musterfeststellungsklage eingeführt. Bei dieser handelt es sich um eine Verbandsklage, welche es Verbänden ermöglicht, für geschädigte Verbraucher eine bestimmte Rechtsverletzung eines Unternehmens feststellen zu lassen. Anlass für die Einführung dieser Klageart war die Vielzahl von geschädigten Verbrauchern durch den Dieselabgasskandal in 2015. Vorrangiges Ziel der Einführung dieser Klage war es, die Rechte der Verbraucher gegenüber größeren Konzernen zu stärken. Die ausschließliche Zuständigkeit für die Musterfeststellungsklage liegt bei den Oberlandesgerichten. Erforderlich für die Einreichung einer Musterfeststellungsklage ist die Beteiligung von mindestens 10 geschädigten Verbrauchern.
Die „Dieselklage“ des Verbraucherzentrale Bundesverbandes und des ADAC gegen Volkswagen stellt die erste große Musterfeststellungsklage in Deutschland dar. Die erste mündliche Verhandlung hat am 30.09.2019 vor dem Oberlandesgericht Braunschweig stattgefunden. Ziel der Klage ist es, das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gegen die Volkswagen AG festzustellen. Durch den Erlass eines positiven Feststellungsurteil wird jedoch noch nicht abschließend über eine Zahlung gegenüber den geschädigten Verbrauchern entschieden. Die Geschädigten müssen die ihnen zustehenden Schadensersatzansprüche dann ggf. selbst gerichtlich durchsetzen. Das Urteil des Gerichts bindet jedoch alle Gerichte, welche in einem möglichen Anschlussverfahren über die konkreten Schadenersatzansprüche der Verbraucher zu entscheiden haben.
Im zweiten Verhandlungstermin vom 16.12.2019 hat das Oberlandesgericht erneut auf einen Vergleich der Parteien gedrängt, woraufhin die Volkswagen AG und der Verbraucherzentrale Bundesverband Anfang Januar 2020 Vergleichsverhandlungen aufgenommen haben. Diese sind jedoch am 14.02.2020 gescheitert, obwohl sich die Parteien bereits auf eine Vergleichssumme von 830 Mio. Euro geeinigt hatten. Nach Angaben der Volkswagen AG sei der Vergleichsabschluss an den unterschiedlichen Kostenpunkten gescheitert. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte unter anderem gefordert, dass Volkswagen eine Gebührenforderung seiner Anwälte in Höhe von 50 Mio. Euro begleicht. Bei Musterfeststellungsklagen besteht nämlich die Besonderheit, dass das Gerichtskostengesetz die gesetzlichen Gebühren auf 250.000 Euro pro Musterfeststellungsklage beschränkt. Dies hat zur Folge, dass wenn Anwälte auf Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes abrechnen, sie in erster Instanz nicht mehr als 7.530 Euro verdienen können, egal wie viel Arbeit das Klageverfahren von ihnen abverlangt. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es unter anderem zu verhindern, dass deutsche Rechtsanwälte mit Musterfeststellungsklagen ähnlich wie amerikanische Rechtsanwälte mit den dort zulässigen Sammelklagen ein Vermögen erwirtschaften. Es sei nicht gewollt, dass aus der Musterfeststellungsklage für Anwälte ein Geschäftsmodell wird. Wie es in dem Verfahren um VW nun weiter geht, bleibt abzuwarten. Große Aufmerksamkeit hat momentan auch der Prozess eines Dieselkäufers, welcher unabhängig von der beim Oberlandesgericht anhängigen Musterfeststellungsklage im Mai vor dem Bundesgerichtshof beginnt. Erwartet wird hier ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs, welche die Rechtsprechung zahlreicher Gerichte in ähnlichen Prozessen erheblich beeinflussen könnte.

Jessica Haereke, Law Clerk at BridgehouseLaw LLP | photo m.faz.net
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und viele Grüße aus Charlotte
Reinhard von Hennigs
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